Warum ein*e Psycholog*in?

Eine chronische Erkrankung kann eine Herausforderung für Kinder, Jugendliche und die ganze Familie sein. Es kann sein, dass Ängste, Schuldgefühle und Sorgen sowie eine zunehmende Traurigkeit den Alltag zusätzlich belasten und den Umgang mit der Erkrankung noch erschweren. Manchmal kann das vorkommen und es kann auch wieder besser werden. Der Umgang damit ist von Familie zu Familie anders. So kann es sein, dass die Kinder und Jugendlichen selber bei sich merken, dass ihr Leben, z.B. Schule, Ausbildung oder ihre Freizeitbeschäftigungen (Hobbies, Freunde treffen) stark beeinträchtigt sind. Viele kommen allein zurecht, bemerken schon bald eine Besserung. Andere tauschen sich über ihre Gedanken, Ängste und Sorgen mit nahestehenden, vertrauten Personen aus. Für wieder andere sind Gespräche mit Dritten, unabhängigen Zuhörer*innen und Begleiter*innen hilfreicher. Gerade dann, wenn eine psychische Krise ohne Besserung oder mit merklicher Verschlechterung Wochen oder länger andauert, kann eine Psychotherapie individuell sinnvoll sein und dabei unterstützen, ins eigene Gleichgewicht zurück zu finden und belastende Themen anzunehmen und zu überwinden.  Entscheidend ist, ob eine Behandlungsbedürftigkeit vorliegt oder nicht. Das heißt, ob die seelische Belastung so groß ist, dass sie einen Krankheitswert hat. Anhaltspunkt kann hier sein, dass bisher gewohnte Strategien zur Lösung und Bewältigung von Belastungen und Problemen nicht mehr greifen und Leidensdruck besteht, dem Betroffene sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder länger, alleine oder mit der Unterstützung ihres sozialen Umfeldes, nicht mehr gewachsen fühlen. Durch den gezielten Einsatz von verschiedenen psychologischen Techniken und Methoden (z.B. therapeutischen Gesprächen, Entspannungsverfahren) wird die Behebung eines bestimmten Problems angestrebt. Dementsprechend soll eine Psychotherapie zeitlich begrenzt sein. Manchmal arbeiten spezielle Kinderpsycholog*innen auch im Team eines*einer betreuenden Kindergastroenterolog*in. Deswegen lohnt es sich, eine*n Ärzt*in beim nächsten Treffen darauf anzusprechen und nachzufragen. Eine*n Psychotherapeut*in zu finden, ist nämlich gar nicht so einfach.

Was ist Psychotherapie?

Psychotherapie als Teilgebiet der klinischen Psychologie ist dem Psychotherapeutengesetz zufolge „jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert.“ Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche auch unbedingt von einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in behandelt werden. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen haben ein Studium der Psychologie, Pädagogik oder Sozialpädagogik absolviert. Danach schließt sich eine psychotherapeutische Ausbildung an, die auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen fokussiert. Im Gegensatz zu Psychologischen Psychotherapeut*innen erstreckt sich bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen die Berechtigung zur Berufsausübung nur auf Betroffene, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. In der Praxis beträgt die Zeit für ein Pädagogik-/Psychologiestudium sowie die nachfolgende Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut*in durchschnittlich 9–12 Jahre. Zu beachten ist, dass der Begriff „Psychotherapeut“ gesetzlich geschützt ist. Es gibt aber auch Psychotherapeut*innen nach dem Heilpraktikergesetz, die allerdings nicht mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen dürfen. Hier ist es wichtig, darauf zu achten, welche berufliche Qualifikation bei den Anbietenden im Einzelnen vorliegt.

Im Folgenden werden die Voraussetzungen für eine therapeutische Behandlung und verschiedene Therapieformen beschrieben.

Welche Verfahren gibt es?

Es gibt verschiedene psychotherapeutische Verfahren. Unterschiede betreffen vor allem das Verständnis der Entstehung von psychischen Krankheiten sowie das therapeutische Konzept. Von den gesetzlichen Krankenkassen werden zurzeit folgende drei Verfahren erstattet: analytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie. Darüber hinaus gibt es die Gesprächspsychotherapie, die Gestalttherapie sowie die systemische Therapie. Hier ist eine Therapie zwar möglich, die Kosten für die Behandlung müssen von den Betroffenen jedoch selbst getragen werden. Im Folgenden werden die Verfahren kurz beschrieben.

Analytische Psychotherapie: Gründer der analytischen Psychotherapie ist Sigmund Freud. Diese Therapieform basiert auf der Theorie des normalen und pathologischen (= krankhaften) Verhaltens. Durch die Therapie werden verdrängte Gefühle und Erinnerungen, die eine Entwicklung zum gesunden, selbständigen Individuum blockieren, bewusst gemacht. Die Ursachen und Lösungen für die aktuell auftretenden Probleme sind in der Vergangenheit zu suchen. Hierzu müssen die ehemals verdrängten Probleme von prägenden Entwicklungsphasen erneut durchlebt werden, um sie zu verarbeiten. Dies geschieht mithilfe von Methoden wie z.B. der Traumdeutung. In der Regel findet diese Therapieart mehrmals wöchentlich und im Liegen statt.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hat sich aus der psychoanalytischen Therapie entwickelt. So geht auch diese Form der Therapie davon aus, dass den aktuell auftretenden Problemen ein innerpsychischer Konflikt zugrunde liegt. Die Therapie ist auf einen sogenannten „zentralen Konflikt“ fokussiert, der bearbeitet werden soll. Hierzu wird nach möglichen Ursachen in der Persönlichkeit oder der Vergangenheit des*der Betroffenen gesucht. Ziel ist es, selber Zusammenhänge und Ursachen der eigenen Probleme zu erkennen, wodurch dann Veränderungen im Erleben und/oder Verhalten angestrebt werden.

Die Verhaltenstherapie ist eine gedanken- und handlungsorientierte, sowie problembezogene Therapieform. Sie basiert auf der Annahme, dass Menschen ihr Verhalten und Erleben durch Erfahrungen erlernen. Eine psychische Erkrankung entsteht demnach, wenn die erlernten Muster problematisch sind. Ein Hinweis dafür ist, dass bei Patient*innen oder ihrer Umgebung Leidensdruck besteht. Zu Beginn einer Verhaltenstherapie erfolgt eine Beschreibung des Problems (z.B. Angst vor dem Fliegen). Dann werden verursachende und aufrechterhaltende Bedingungen ermittelt: wie sind die aktuellen Beschwerden entstanden; wie wird reagiert (z.B. körperliche Symptome wie Zittern, Herzrasen); was sind die Folgen (z.B. Ich fliege nicht mehr.); welche Konsequenzen hat ein eventuelles Vermeidungsverhalten (z.B. im Urlaub wird nicht geflogen). Hier spielt auch die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Problem eine wesentliche Rolle. Insbesondere katastrophisierende Gedanken (z.B. Das ist alles so schlimm.; Ich werde abstürzen und sterben.) können zu einem Teufelskreislauf führen und Patient*innen zusätzlich stark beeinträchtigen. Ziel ist es, diese Gedanken herauszufinden und angemessene Gedanken zu vermitteln (Ich schaffe das; Ich bleibe ruhig.), um bestehende Probleme erfolgreich zu bewältigen. Die Verhaltenstherapie nutzt verschiedene Techniken und Programme, um psychische Störungen zu behandeln. Anders als bei den anderen beiden Therapieformen, kommen hier u.a. übende Elemente und strukturierte Behandlungspläne zum Einsatz. Rahmen und Dauer: Meist zwischen einem halben und einem Jahr bei einer Sitzung (à 50 Minuten) pro Woche. Individuelle Anpassungen sind möglich.

Die Gesprächspsychotherapie und die Gestalttherapie als humanistische Therapieverfahren gehen davon aus, dass der Mensch grundsätzlich über die Möglichkeit verfügt, seine Welt selbst zu gestalten. In der Gesprächspsychotherapie stehen die Beschwerden des*der Betroffenen und auch der Mensch als Ganzes in seiner Lebensumwelt im Mittelpunkt. Grundannahme ist, dass jeder Mensch nach Selbstverwirklichung strebt. Demzufolge trägt jede*r die Motivation und den Antrieb, an den eigenen Problemen zu arbeiten, bereits in sich. Ziel ist, sich selbst zu verstehen und anzunehmen. Auch bei der Gestalttherapie handelt es sich um ein erlebnis- und erfahrungsorientiertes Vorgehen. Der*die Betroffene wird hier mit unvollständig verarbeiteten Erfahrungen oder unterdrückten Bedürfnissen konfrontiert. Dazu stellt er*sie sich Problemsituationen aus der Vergangenheit vor, um sie mit der Unterstützung der Therapeut*in erfolgreicher durchzustehen, zu neuen Einsichten zu gelangen und gestärkter daraus hervorzugehen. Ziel dieses Vorgehens ist es, sich den eigenen Problemen zu stellen, um das eigene Selbstbild positiv zu verändern und sich weiterzuentwickeln.

Die systemische Therapie ist auch unter der Bezeichnung systemische Familientherapie verbreitet. Wie der Name schon andeutet, liegt die Aufmerksamkeit auf dem System (= soziales Umfeld), in dem der*die Betroffene lebt. Eine psychische Erkrankung wird verstanden als Anzeichen für eine Störung in Verhaltens- oder Kommunikationsmustern des vorliegenden Systems (z.B. in der Familie). Der*die Betroffene wird als Symptomträger*in dieser Störung betrachtet. Ziel des*der Therapeut*in ist es, nachzuvollziehen, warum ein*e Betroffene*r psychisch erkrankt ist und welchen Einfluss dabei das System gehabt haben könnte. Die Behandlung wird über Veränderungen im System angestrebt. Dabei erarbeiten Therapeut*in und Betroffene*r zusammen Lösungsmöglichkeiten für die bestehenden Probleme und Beschwerden und es werden Anstöße für eine Besserung der Situation gegeben. Neben Einzelsitzungen, finden manchmal auch Gruppensitzungen mit Familienangehörigen statt, um auch die verschiedenen Sichtweisen anderer Beteiligter in den Prozess einfließen zu lassen und einen Eindruck davon zu erhalten, wie sich die Beziehungen innerhalb des Systems gestalten. Rahmen und Dauer:  Anfangs alle ein bis zwei Wochen, später oftmals in größeren Abständen bei meist maximal 25 Sitzungen. Eine Sitzung umfasst 50 Minuten im Einzelsetting und in der Gruppe 90 Minuten.

Ganz gleich für welche Psychotherapieform Betroffene sich letztlich entscheiden, ist es für den Therapieerfolg wesentlich, dass ein vertrauensvolles Verhältnis entsteht und es möglich ist, sich zu öffnen.

Der Weg zur Psychotherapeut*in

Verschiedene Wege sind denkbar, um zu Adressen von Psychotherapeut*innen zu gelangen - am einfachsten ist das im Internet. Häufig ist dabei eine Suche nach Therapeut*innen im Postleitzahlengebiet möglich. Nach Eingabe der gesamten Postleitzahl oder auch nur der ersten Ziffern wird eine Übersicht von Psychotherapeut*innen in der näheren Umgebung angezeigt. Da nicht alle approbierten Psychotherapeut*innen eine Kassenzulassung haben, ist es wichtig, bei der Suche beide Kriterien (Approbation + Kassenzulassung) anzuklicken. Auf folgenden Internetseiten ist es möglich, Therapeut*innen zu suchen:

  • Psychotherapieinformationsdienst (PID, Service der Deutschen Psychologen Akademie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen): www.psychotherapiesuche.de
  • Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung: www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de
  • Psychotherapeutenkammer: www.psychotherapeutenkammer.de
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de. Hier gibt es neben Informationen zu vielen weiteren gesundheitsbezogenen Themen auch Infos zum Thema Psychotherapie.
  • Kassenärztliche Vereinigung: Pro Bundesland gibt es auch eine eigene Internetseite

Wie finde ich den*die für mich richtige*n Therapeut*in?

Neben der Wahl der Therapieform ist es wichtig, dass die „Chemie“ stimmt. Eine gute Voraussetzung ist, sich im ersten Gespräch mit dem*der Therapeut*in gut aufgehoben zu fühlen. Wenn sich kein Vertrauensverhältnis entwickelt, sollte ein*e andere*r Psychotherapeut*in aufgesucht werden.

Lange Wartelisten?

In einigen Regionen Deutschlands gibt es eine Unterversorgung mit kassenzugelassenen Psychotherapeut*innen, woraus sich lange Wartezeiten ergeben. Gründe hierfür sind zum einen, dass psychische Erkrankungen heute eher als solche erkannt werden und auf Seiten der Betroffenen eine größere Behandlungsbereitschaft besteht. Dieses Problem ist insbesondere bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, sowie in ländlichen Bereichen weit verbreitet. Die Anzahl der Kassensitze wird zudem aus der Einwohner*innenzahl der jeweiligen Region errechnet. Leider stimmt die Grundlage dieser Berechnung nicht mit dem Bedarf überein. Um das Problem der langen Wartezeiten anzugehen, bieten einige Therapeut*innen an, die sogenannten Probesitzungen vorzuziehen, wenn z.B. durch Urlaub ein Termin frei wird. Vorteil ist, dass dadurch der*die Therapeut*in kennengelernt und entschieden werden kann, ob eine Therapie in Frage kommt.

Was tun im Notfall?  Kinder und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“

Neben psychotherapeutischen Angeboten, die längerfristig und regelmäßig genutzt werden, kann es auch zu Situationen kommen, in denen akut und schnell Hilfe notwendig ist.  Gerade wenn Gedanken wie „Ich weiß nicht mehr weiter.“ immer wieder kommen, gibt es das Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“. Montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr kannst du unter der Rufnummer 116 111 anonym und kostenlos vom Handy und Festnetz mit Berater*innen telefonieren.

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