Was ist künstliche Ernährung?
Unter bestimmten Umständen kann eine Therapie auch mit einer speziellen Ernährung (sogenannte Astronautenkost) durchgeführt werden.
Künstliche Ernährung ist einerseits die enterale und andererseits die parenterale Nährstoffaufnahme.
- enteral = durch den Verdauungstrakt
- Parenteral = über die Vene unter umgehen des Verdauungstraktes
enterale Ernährung bezeichnet Trink- und Sondennahrungen und kann entweder nur teilweise, als Ergänzung zur normalen Kost, oder ausschließlich erfolgen. Trinklösungen entlasten den Verdauungstrakt. Die Nährstofflösungen sind so zubereitet, dass sie schnell im Darm aufgenommen werden können. So kann die Darmschleimhaut schneller abheilen. Der mit Abstand beste Effekt (vergleichbar mit einer Kortisonbehandlung!) wird erreicht, wenn Du Dich ausschließlich mit einer Trink- oder Sondennahrung ernährst. Dies gilt in besonderem Maß für den M. Crohn, vor allem, wenn vorwiegend der Dünndarm betroffen ist. Diese Ernährungsart ist sicher hart, aber der Erfolg lohnt die Mühe. Die Therapie kann einige Wochen dauern. Vorteil ist, dass die enterale Ernährung ambulant erfolgen kann und Du die Nahrung auch unterwegs zu Dir nehmen kannst. Diese Ernährung gilt bei M. Crohn mittlerweile als Therapie der ersten Wahl, also noch vor einer Kortisonbehandlung.
Bei Colitis ulcerosa ist diese Art der Ernährungstherapie leider nicht ganz so erfolgreich.
Im folgenden sollen zwei Jugendliche ihre Erfahrungen selber schildern. Mit einer Sonde, die durch die Nase und den Rachen in den Magen reicht, hat Henning folgende Erfahrungen gemacht:
„Zuerst hat mich das Fremdkörpergefühl im Rachen noch etwas gestört, woran ich mich nach ein paar Tagen gewöhnt hatte. Eine leichte Mahlzeit aß ich anfangs dazu. Nach ein paar Tagen bekam ich die Sondennahrung pur. Etwas später ließ ich mir eine Nasenolive anbringen, womit man außerhalb der Nahrungsaufnahme die Sonde in der Nase verschwinden lassen kann. Wie man die richtig anbringt, musste ich erst selbst herausfinden, das war doch komplizierter als ich dachte. Dass ich die Sonde gewählt habe, bereue ich aber auf gar keinen Fall. Ich finde, dass der Umgang mit Sonden von vornherein wesentlich schlimmer eingeschätzt wird. Wahrscheinlich, weil man vorher keine Erfahrungen damit gemacht hatte. Allerdings fällt es einem nicht leicht, ganz ohne Essen auszukommen. Besonders anfangs war es nicht leicht, wenn mein Bruder sich eine Pizza in den Backofen schob. Aber es dauerte nicht lange, bis mir selbst diese Situationen keine Probleme mehr bereiteten. « (Henning)
In Ausnahmefällen kann es auch sinnvoll sein, die enterale Ernährung länger als sonst üblich durchzuführen. Dann kann der Verzicht auf richtiges Essen schon schwieriger werden:
» Denn mittlerweile war schon der fünfte Monat ohne einen Bissen vorbei. Und irgendwann wurde ich dann so aggressiv, dass ich meiner Nachbarin die Forelle vom Teller klauen wollte. « (Karin)
Der Arbeitskreis Ernährungstherapie der DCCV verdeutlicht: Es gibt viele Kinder und Jugendliche, die diese Therapie sehr gut durchführen. Sie nehmen ihre „Trinkpäckchen“ überall mit hin, in die Schule und sogar auf Reisen.
» Ich sage mir: ein paar Wochen gehen vorbei. Es gibt Kinder, die möchten lieber eine Nasensonde als diese Trinklösungen selbst zu trinken. Das handhaben der Sonde klappt in diesen Fällen sehr gut. Meine eigene Erfahrung: „Nachdem ich meine „Lieblings Trinknahrungen“ gefunden habe, habe ich mich schon auf meine Mahlzeiten gefreut. Es gab schließlich nichts anderes :). Ich habe sogar meine Familie bekocht – trotzdem!) « (Karin)
Was darf ich nun essen, wenn die enterale Ernährung beendet werden soll?
Wenn der Schub vorbei ist und Deine Trinklösungen langsam abgesetzt werden, kannst Du beginnen, nach und nach eine Mahlzeit zu Dir zu nehmen. Dein*e Ärzt*in wird Dir hierzu auch einige Tipps geben können. Sprich ihn*sie am besten direkt darauf an.
Hilfreich ist ein langsamer Kostaufbau. Auf reizende Lebensmittel wie säurehaltiges Obst (z.B. Zitrone und Apfelsine) und scharfe Gewürze (z.B. Cheyenne pfeffer u. Ä.) solltest Du lieber verzichten. Für den Anfang eignen sich Weißbrot, Kartoffeln (Salz- oder Pellkartoffeln), gekochte Möhren, weich gekochte Zucchini ohne Kerne, gedünstetes Fleisch. Langsam erhöhst Du dadurch auch wieder den Ballaststoffanteil in der Nahrung, der für einen funktionierenden Darm wichtig ist. Auf zu grobe Ballaststoffe solltest Du anfangs verzichten (z.B. ganze Körner im Brot). Vollkornbrote aus vollständig gemahlenem Korn, also ohne ganze Körner, sind besser und können langsam wieder in die Ernährung aufgenommen werden. Auch alle Gemüsesorten, wenn keine bleibende Engstelle (Stenose) vorhanden ist, können langsam wieder getestet werden. Eine Stenose ist eine Engstelle (vernarbtes Gewebe im Darm führt zu dessen Verengung an der betroffenen Stelle). Die Nahrungsauswahl hängt in erster Linie vom Durchmesser der Engstelle ab. Gegebenenfalls muss dann auf langfaserige Lebensmittel wie Spargel und feste Fasern wie Ananas verzichtet werden.
Wichtig ist, dass Du während des Kostaufbaus zuerst nur kleine Portionen zu Dir nimmst, damit sich Dein Darm wieder an andere Nahrungsbestandteile gewöhnen kann. In der Aufbauphase solltest Du auch Speisefette nur in kleineren Mengen zu Dir nehmen. Dies bedeutet z.B. zunächst ein Verzicht auf stark fetthaltiges wie Pommes und die Butter nur dünn aufzustreichen.
Wenn die enterale Ernährung nicht den gewünschten Erfolg bringt (das merkst Du schon nach ein paar Tagen) und Dein Gesundheitszustand sich nicht verbessert, kann eine parenterale Ernährung erforderlich sein. Das geschieht über eine Infusionslösung, die sofort in die Blutbahn aufgenommen wird und nicht erst im Darm verdaut werden muss. Das setzt aber einen Krankenhausaufenthalt von mindestens 2 Wochen und länger voraus. Während die enterale Ernährung vorwiegend bei Morbus Crohn erfolgreich ist, kann die parenterale Ernährung auch bei Colitis ulcerosa sehr effektiv sein.
Beide Ernährungstherapieformen sind in der Lage, auch nach Ende dieser Behandlungsform eine längere Remission zu erzielen.